Ритмы истории - [8]

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Was sind «Verstehensprozesse der Gesellschaft“, die sich ändern? Können nicht nur individuelle Menschen verstehen, sondern ganze Gesellschaften? Sicher geht das Verstehen von Sachverhalten von Individuen aus. Verstehen heißt aber, dass Zusammenhänge begriffen werden und dann mit anderen Menschen kommuniziert werden.

Diese begrifflichen Zusammenhänge, die das Verstehen ausmachen, können nicht beliebig sein; sie müssen einen breiten gesellschaftlichen Konsens anstreben, weil sie nur dann kommunizierbar sind.

Einzelne Begriffe sind normalerweise dabei immer ohne größere Rückwirkungen auf den Konsens wandelbar, weil ihre Veränderung kommuniziert werden kann. Aber das Gros der Begriffe, zumindest aber sehr grundlegende Begriffe, deren Änderungen wertreichende Bedeutung für das Verstehen von Welt hätte, verhalten sich träge gegenüber Veränderungen. Ihre Veränderungen werden von der Community nicht problemlos akzeptiert. Durch diese nur in mittleren Zeitskalen veränderbaren Begriffen, an denen fast alle Mitglied einer Verstehensgemeinschaft teilhaben, kann man so etwas wie Rahmenbedingungen für ein mögliches Verstehen von Welt, das einer Gesellschaft zur Verfügung steht, konstatieren. Da das spezielle Begriffsgefüge, das zur Verfügung steht, das Verstehen in der Gemeinschaft beschränkt, kann und wird nicht jederzeit von einer Gesellschaft jeder mögliche Gedanke gedacht werden, sondern nur die, die im Kontext der in einer Zeit genutzten Begriffsgefüge formulierbar sind.

Jeder Strukturwandel einer Gesellschaft gründet im Wandel der dem Weltverständnis in der Gesellschaft zugrundeliegenden Begriffsgefüge und damit der Handlungen, die aus diesem Weltverständnis abgeleitet werden. So kann man durch eine philosophische Untersuchung den Status des Verstehens einer Gesellschaft konstatieren, indem man die Veränderungen der Begriffe und ihres Kontextes untersucht, nach Gesetzmäßigkeiten forscht, die hinter den Veränderungen der Begriffsgefüge stehen, und dann mögliche zukünftige Entwicklungen der Begriffsgefüge vorhersagen.

Die Gegenstände jeder philosophischen Untersuchung des gesellschaftlichen Wandels sind daher die grundlegenden Begriffe einer Zivilisation, deren Wandel eine tiefgreifende Änderung des Weltverständnisses, der Orientierung in der Welt und der Wertungen des Handelns nach sich zieht. Wenngleich dieser Wandel in den meisten historischen Zeiten kontinuierlich, nur für den aufmerksamen Beobachter merklich ist, und mit geringen Veränderungen geschieht, so gibt es doch immer wieder historisch hervorragende, relativ kurze Zeiträume (100 bis 150 Jahre), in denen akzelerierend Begriffe und damit Weltverständnisse geändert werden und die zu einer weitgehend neuen Sicht der Welt und damit neuen Begriffsgefüge führen. Diesen Wandel bezeichne ich als den Übergang von einer traditionellen Gesellschaft zu einer posttraditionellen Gesellschaft.[7]

Diese posttraditionelle Gesellschaft ist eine transeunte und sehr labile Kulturform, die, wenn sie zu ihrem Ende hin zu einer in sich gefügten stabileren Gesellschaftsform geführt hat, wieder zu einer nun neu gefügten traditionellen Gesellschaft führt.

Wir leben heute in einer solchen posttraditionellen Gesellschaft und ihr Studium kann uns zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Entwicklungsmöglichkeiten auf eine zukünftige traditionelle Gesellschaft hin führen.


2. Was charakterisiert eine traditionelle Gesellschaft?

Der gesellschaftliche Wandel, von dem im folgenden die Rede sein soll, hat sich in der Geschichte des Abendlandes zweimal vollzogen und ist zur Zeit wieder im Gange: Diese historischen posttraditionellen Phasen sind die Spätantike und die Renaissance. Die traditionellen Phasen sind also vom Typ der antiken Gesellschaft, der mittelalterlichen Gesellschaft und der Gesellschaft der Neuzeit.

Traditionelle Gesellschaften wandeln sich demnach durchaus, aber so, dass ihr grundsätzliches Weltverständnis in kleinen Zeiträumen nicht wesentlich geändert wird. Kriegerische, wirtschaftliche Ereignisse und epidemische Krankheiten können in der traditionellen Gesellschaft zu gravierenden soziologischen Verwerfungen führen, sie ändern jedoch nichts an der Stabilität der Begriffsgefüge und daran, dass die Gesellschaft «philosophische Stabilität“ behält.

Stabil ist die traditionelle Gesellschaft, im philosophischen Sinne, weil die Art, wie die Welt erklärt wird, welche Fragen man an die Welt stellt oder welches Wissen man über sie hat, unverändert bleibt, und weil der Erfahrungsraum, die Summe der Erfahrungen, die der Welterklärung zugrunde liegen, über jedem kleineren Wandel unverändert bleiben und deshalb auch das Handeln der Einzelnen und der Gesellschaft in einem ähnlichen Rahmen verbleibt.

Unverändert bleibt dies, weil die grundlegenden Begriffe unverändert bleiben, und dies geschieht, weil das Gefüge von Welterklärung und Erfahrung sowie Handeln konsistent bleibt und keine nennenswerten Widersprüche oder Unentscheidbarkeiten im Handeln auf Grund der Erklärung der Erfahrung auftreten. Die Menschen empfinden ihr Verhalten dann als nicht mit ihrem Wissen konfligierend.


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