Ритмы истории - [12]
Normen kollabieren unter diesen Bedingungen schließlich rasch; niemand vermag sie mehr als dauerhaft geltend und bindend zu erleben. Da aber ohne Werthaltung niemand verstehen und niemand handeln kann, werden individuelle Substitute für die begrifflichen Werthaltungen gesetzt, für die ein gesellschaftlicher Konsens aber nicht erreicht werden kann. Dies hat meist auch soziale Verwerfungen in der Gesellschaft zur Folge.
Da in der posttraditionellen Gesellschaft die Dynamik und der Wandel selbst zu einem Wert wird, wird es sogar dazu kommen, dass der Wertewandel als ein Wert angesehen wird: Der Tabubruch wird zum Wert der posttraditionellen Gesellschaft. Die Kultur, die zuvor Träger einer konsenten Erklärung und Bewertung in der traditionellen Gesellschaft war, wird nun in der posttraditionellen Gesellschaft davon geprägt, dass sie im Tabubruch die Geltung noch bestehender und u. U. nicht mehr kohärenter Werte bewusst macht und einer expliziten Reflexion unterzieht — wie Filmindustrie und Literatur heute augenfällig machen. Die technischen und naturwissenschaftlichen Neuerungen, die auch mit dem Begriffswandel in der posttraditionellen Gesellschaft einhergehen, haben zusätzlich zur Folge, dass Wertsetzungen und Werthaltungen mit den (neuen) Begrifflichkeiten des veränderten Erfahrungsraums kollidieren. Die Anwendung von ansonsten akzeptierten ethischen Normen wird dann zu einem Problem, wie wir z. B. in der Medizin und der Gen–und Biotechnologie heute erleben.
Die Ethik ist die wissenschaftliche Disziplin, die die methodischen Instrumentarien zur Verfügung stellen, um einer Gesellschaft rationale moralische Kriterien an die Hand zu geben. Die Ethik entwickelt als wissenschaftliche Disziplin Normen des Verhaltens und begründet diese Normen und spezifiziert deren Beziehungen untereinander. Ethik überprüft und schafft Konsistenz unter den Normen. Die geschriebenen und ungeschriebenen Kodizes (Recht und Moral) müssen widerspruchsfrei anwendbar sein, wenn sie Handlungen leiten sollen. Die darin liegenden Beziehungen zwischen Normen im Bereich von Sitte, Sittlichkeit und Moral auf der einen Seite und des Rechts auf der anderen Seite sind in der späten oder alten traditionellen Gesellschaft in aller Regel kohärent und widerspruchsfrei. Dort, wo sie es nicht sind, wird nachkorrigiert werden, damit das intuitive Rechtsempfinden in Gleichklang mit der Moral kommt. Die wissenschaftliche Disziplin, die in der traditionellen Gesellschaft diese Kohärenz der religiösen oder weltanschaulichen Normen in aller Regel zeigt und sicherstellt, ist die Ethik. Ihre Aufgabe beschränkt sich auf die Prüfung der Kohärenz der Normen. Die weitgehend konsenten Normen müssen nicht geschaffen werden, sondern allenfalls explizit dargestellt werden. Als konsente Normen erscheinen sie aber in der traditionellen Gesellschaft als weitgehend unveränderbar und nicht hintergehbar.
In der posttraditionellen Gesellschaft fehlen fast immer in großem Maße die Normen selbst. Jetzt wird die Begründung und Schaffung von Normen zur zentralen Aufgabe der Ethik. Die ethische Herausforderung liegt in der posttraditionellen Gesellschaft, darin, dass der Wandel der Werte, die Normverletzung, der Tabubruch, nun zum Wert wird, und Normen allenfalls zeitweilig Geltung gewinnen, sofern sie begründet werden können. Die Ethik hat also in der posttraditionellen Gesellschaft neben der Prüfung der Normenkohärenz zwischen geschriebenen und ungeschriebenen Kodizes die Aufgabe, Normen selbst zu entwickeln und zu begründen.
Im Bereich der Wirtschaft ist diese Struktur der posttraditionellen Gesellschaft u. a. als Akzeptanzproblem in vielfältiger Weise virulent: Lebenslanges Lernen ist erforderlich, um dem Wandel der wissenschaftlich–technischen, organisatorischen Normen bis hin zu den kommunikativen Normen bewältigen zu können; und die Diskussion um Globalisierung, Wirtschaftsstandort und Sozialversicherungsstandards sind «Verstehensprozesse einer Gesellschaft“ im Kontext von Werthaltungen. So werden sie Gegenstand der Untersuchungen der Ethik. Um ihre Begründung und Schaffung bemüht sich in der posttraditionellen Gesellschaft die Ethik. Bei allem Normenwandel bleiben diese Verstehensprozesse selbst innerhalb philosophisch begründeter Begriffsrahmen — im Sinne unserer obigen Darstellung — rational verankert. Deshalb bietet die Wirtschaftsethik eine Chance: Ein Unternehmen kann — bei aller gesellschaftlich gebotenen Flexibilität — damit eine Stabilität hinsichtlich der Verbindlichkeit der individuellen und kollektiven Handlungen trotz des Fehlens eines allgemeinen Normenkonsenses erreichen, indem es sein eigenes Wertesystem individuell in der posttraditionellen Gesellschaft formuliert und seinen Partnern gegenüber garantiert. Dieses System von Werten muss eine Reihe nicht leicht zu erreichender Bedingungen erfüllen: Der zu erwartende Wertewandel muss so antizipiert werden, dass das Wertesystem nicht schon überholt ist, wenn es im Unternehmen konsent eingeführt ist. Gleichzeitig muss es verbindlich sein. Da der Konsens über die Werte in der posttraditionellen Gesellschaft nicht trivialerweise zu erlangen ist, muss eine Beteiligung aller Betroffenen bei der Formulierung der Werte sichergestellt sein, ohne die Funktion der Werte in den Handlungsfolgen aus dem Auge zu verlieren. Die Kohärenz der Werte, auch mit den nationalen und internationalen Rechtssystemen, sowie den Handlungsräumen der Mitbewerber muss bedacht sein.
Серия «Новые идеи в философии» под редакцией Н.О. Лосского и Э.Л. Радлова впервые вышла в Санкт-Петербурге в издательстве «Образование» ровно сто лет назад – в 1912—1914 гг. За три неполных года свет увидело семнадцать сборников. Среди авторов статей такие известные русские и иностранные ученые как А. Бергсон, Ф. Брентано, В. Вундт, Э. Гартман, У. Джемс, В. Дильтей и др. До настоящего времени сборники являются большой библиографической редкостью и представляют собой огромную познавательную и историческую ценность прежде всего в силу своего содержания.
Атеизм стал знаменательным явлением социальной жизни. Его высшая форма — марксистский атеизм — огромное достижение социалистической цивилизации. Современные богословы и буржуазные идеологи пытаются представить атеизм случайным явлением, лишенным исторических корней. В предлагаемой книге дана глубокая и аргументированная критика подобных измышлений, показана история свободомыслия и атеизма, их связь с мировой культурой.
В книге рассматриваются жизненный путь и сочинения выдающегося английского материалиста XVII в. Томаса Гоббса.Автор знакомит с философской системой Гоббса и его социально-политическими взглядами, отмечает большой вклад мыслителя в критику религиозно-идеалистического мировоззрения.В приложении впервые на русском языке даются извлечения из произведения Гоббса «Бегемот».
Макс Нордау"Вырождение. Современные французы."Имя Макса Нордау (1849—1923) было популярно на Западе и в России в конце прошлого столетия. В главном своем сочинении «Вырождение» он, врач но образованию, ученик Ч. Ломброзо, предпринял оригинальную попытку интерпретации «заката Европы». Нордау возложил ответственность за эпоху декаданса на кумиров своего времени — Ф. Ницше, Л. Толстого, П. Верлена, О. Уайльда, прерафаэлитов и других, давая их творчеству парадоксальную характеристику. И, хотя его концепция подверглась жесткой критике, в каких-то моментах его видение цивилизации оказалось довольно точным.В книгу включены также очерки «Современные французы», где читатель познакомится с галереей литературных портретов, в частности Бальзака, Мишле, Мопассана и других писателей.Эти произведения издаются на русском языке впервые после почти столетнего перерыва.
В книге представлено исследование формирования идеи понятия у Гегеля, его способа мышления, а также идеи "несчастного сознания". Философия Гегеля не может быть сведена к нескольким логическим формулам. Или, скорее, эти формулы скрывают нечто такое, что с самого начала не является чисто логическим. Диалектика, прежде чем быть методом, представляет собой опыт, на основе которого Гегель переходит от одной идеи к другой. Негативность — это само движение разума, посредством которого он всегда выходит за пределы того, чем является.
В монографии на материале оригинальных текстов исследуется онтологическая семантика поэтического слова французского поэта-символиста Артюра Рембо (1854–1891). Философский анализ произведений А. Рембо осуществляется на основе подстрочных переводов, фиксирующих лексико-грамматическое ядро оригинала.Работа представляет теоретический интерес для философов, филологов, искусствоведов. Может быть использована как материал спецкурса и спецпрактикума для студентов.